Kategorien
Allgemein

Die zweite Welle

Es ist fürchterlich.Ich mag Menschen, bin ihnen gerne nahe. Und genau damit bedrohe ich sie. Herz und Verstand rennen in verschiedene Richtung, im Raum zwischen beidem entsteht Frust, der zur Wut wird. Neben teilweise verheerenden wirtschaftlichen Folgen sind die psychischen Folgen der Maßnahmen gegen die Seuche nicht zu unterschätzen.

Doch was tun? Viele von jenen, die besonders unter der Situation leiden, gehen auf die Straße. 17.000 waren gestern wohl in Berlin auf einer Demo, die von meinem Mitbewerber um den OB-Posten in Stuttgart Ballweg mitveranstaltet hat. Ohne Maske. Ohne Abstand. Fast schon kindlich mutet der Trotz an, mit dem sie sich als die „zweite Welle“ bezeichnen. Und eben diese schwappt derzeit über die Welt, wenn man den Zahlen nur halbwegs glaubt. Und das tue ich.

Ein weiteres Herunterfahren unserer Gesellschaft ist das Vorletzte, was ich möchte. Das Letzte ist eine ungebremste Seuche, wie sie in Ländern grassiert, in denen jene an der Macht sind, deren Haltung zur Pandemie Vorbild für die Demonstranten zu sein scheint.

Ich bin ganz gut darin, mir die Welt so zu machen, widdewidde wie sie mir gefällt. Aber jene Ideen, die zur Verharmlosung der Situation heraufbeschworen werden, bleiben im Logikfilter meiner Gedankenschutzmaske hängen.

Ich kann es gut nachvollziehen, dass man für die eigene Freiheit auf die Straße gehen möchte. Aber auch hier gilt: Die eigene Freiheit endet bei der der Anderen. Ich möchte nicht schon wieder in einer stillgelegten Stadt ausharren, nur weil ein paar Menschen das unmaskierte Shoppingerlebnis im Lidl für ein unveräußerliches Grundrecht halten. Auch mir fällt es schwer, stets die angebrachte Distance zu wahren, aber ich versuche es zumindest. Aus Respekt vor meinen Mitmenschen. In der Hoffnung, dass wir das alles so unbeschadet wie möglich überstehen – gesundheitlich, wirtschaftlich und seelisch.

Mein Wahlkampagnenmanager Martin Zentner hat mal ganz treffend erklärt, wie man Abstand mit Anstand halten kann:

„Geh einfach davon aus, du wärst infiziert und verhalte dich anderen gegenüber dementsprechend.

Falls dir die anderen egal sind: Stell dir einfach vor, alle anderen wären infiziert.

Wenn dir sogar egal ist, ob du infiziert wirst oder gar glaubst, dass Corona harmlos oder eine Erfindung einer bösartigen Organisation deiner Wahl sei, dann respektiere, dass andere das vielleicht anders sehen könnten.

Wenn das Respektieren anderer nicht so dein Ding ist und du glaubst, dass deine Wahrheit Trumpf im Skat der Ideologien sei, denn geh ihnen einfach aus dem Weg, denn sie könnten Reptiloiden sein, die dein Hirn mit 5G fritieren, nachdem sie dir dein Adrenochrom abgezapft haben.“

Wer Seuchenschutzmaßnahmen ablehnt, warum auch immer, sollte mich bei der OB-Wahl lieber nicht wählen. #sotunalsob #dorafuerstuttgart

Kategorien
Allgemein

Keine echten Schwaben?

Ich fass mal ganz subjektiv zusammen: 500 Randaleur:innen machen eine Polonaise der Gewalt durch die Stuttgarter Innenstadt. Alle sind bestürzt, da das mit ihrem Bild des beschaulichen Stuttgarts nicht zusammenpasst. Zur Ehrenrettung des kehrwöchlichen Schwabenbildes behauptet der Polizeichef, man hätte beim Krawallieren kaum schwäbisch gehört. Trotzdem haben viele der Festgenommenen einen deutschen Pass.

Aber halt! Jetzt muss unterschieden werden. Die Polizei ermittelt, ob auch die Eltern einen deutschen Pass haben – und siehe: Das waren gar keine echten Schwaben! Und man stellt auch noch fest, dass Linksautonome zwar nicht festgenommen wurden, aber durchaus und erlaubterweise auch in der Stadt waren. Wenn man ihnen schon nichts nachweisen kann, so kann man wenigstens das Feindbild füttern.

Die eher linke Seite Stuttgarts wittert Rassismus, da die Herkunftsnachforschungen eigentlich klassisches Hetzmittel der AfD sind um endlich mal nachweißen zu können, dass Multikulti der Untergang des Abendlandes sei. Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass die sozialen Milieus der Randaleur:innen zum Beispiel wichtig für die Strafmaßermittlung seien. Den sozialen Sprengstoff ihrer Aussagen nehmen sie ignorierend in Kauf.

Für die Konservativen ist wiederum klar: Wer die Polizei kritisiert, sei kein Staatsfreund und somit grundsätzlich verdächtig. Das ganze wird bundesweit von der Presse begleitet, weshalb man sich gegenseitig in die Schuhe schiebt, Stuttgart in ein schlechtes Licht zu rücken. Im Rathaus geht’s dann erst richtig rund. Die einen kritisieren, die anderen fordern Rücktritte, weil kritisieren kritisch gesehen wird. Der Ton wird rauer, die Bandagen härter.

Kein Wunder: Die Oberbürgermeisterinnenwahl steht vor der Rathaustür. Es geht um die Deutungshoheit, was dieses Stuttgart eigentlich sein soll. Ein offener Diskurs darüber wird immer unwahrscheinlicher, denn mit Schaum vor dem Mund redet es sich schlecht.

Als OB würde ich die ganze Bande mal – natürlich coronakonform – in einen Raum sperren und sich austoben lassen. Danach könnten wir mal Wunschdenken und Istzustand unserer schönen Stadt abgleichen und gemeinsam überlegen, wie wir das Miteinander aller die hier leben – ungeachtet irgendwelcher Pässe – am besten gestalten.

Kategorien
Allgemein

Anstand halten

Die Bewegung für Radikale Empathie hat Gestalter dazu aufgerufen, Plakate zu gestalten, die im Zuge der seuchenbedingten Stilllegung in der Stadt aufgehängt wurden.

Martin Zentner illustrierte ein Plakat, auf welchem ich mit ihm gemeinsam zu sehen bin.

Auf dem Plakat kam ich sogar im Fernsehen! (Dank für das Foto an Loup de Loup)

Kategorien
Allgemein

Blasenplatzen


Ich höre es grad überall platzen. Es sind die Filterblasen, die unter lautem Getöse in sich zusammenfallen. Gestern kämpfte man noch Seite an Seite gegen den Klimawandel oder für das Recht, das Klima zu wandeln, man klopfte sich in seiner Blase gegenseitig auf die Schulter. Heute klopft man sich ins Gesicht, erbittert uneins darüber, ob all das was gerade passiert eine zerstörerische Panik oder die Rettung unzähliger Menschenleben sei. Das heimelige Gefühl, in der eigenen Filterblase keinen grundlegenden Kontroversen ausgesetzt zu sein, hat sich aufgelöst. Der Feind scheint plötzlich in den eigenen Reihen zu sein, manchmal sogar in der eigenen Wohnung.
Es ist eine große Herausforderung, den gegenseitigen Respekt zu behalten, auch wenn man die Meinung des Anderen nicht mehr respektieren kann.

Kategorien
Allgemein

Das größere Stück vom Kuchen

Soziale Gerechtigkeit! Wird gerne gefordert und ist auch eine feine Sache. Jene, die viel haben, geben jenen, die wenig haben etwas ab. Die Rollen dabei sind ganz klar verteilt: Spender und Bittsteller. Und da dies nicht auf Freiwilligkeit beruht, sorgt der Staat für die Umverteilung von Almosen. Er besteuert die Wohlhabenden, damit er daraus ein Netz für die sogenannten sozial Schwachen spinnen kann. Das ist das gängige Bild des Sozialstaates. Es ist ein hässliches Bild.

Wechseln wir doch mal die Perspektive. Menschen verbrauchen Platz, Rohstoffe und machen Dreck. Sie bauen Häuser in die Landschaft und halten mit Zäunen ihre Mitmenschen fern. Sie brauchen Straßen, auf denen sie tonnenweiße Stahl durch die Gegend bewegen. Sie kaufen sich Nippes, der nach einem dekorativem Intermezzo mitsamt Verpackung auf der Mülldeponie oder gleich im Meer landet. Für Energie wird Kohle verbrannt, Atommüll verbuddelt. Kennt man ja alles.

Manche konsumieren mehr, andere weniger. Leider sind unsere Ressourcen endlich. Wenn sich jemand ein großes Stück vom Kuchen nimmt, bleibt weniger für die anderen übrig. Und genau da muss Ausgleich geschaffen werden. Jemand der mehr hat und verbraucht, entschädigt jene, die weniger haben und verbrauchen. Jetzt sind es keine Almosen mehr, die ein Schwacher vom Starken einfordert. Es ist ein Ausgleich unter Gleichberechtigten. Die Wohlhabenden leisten einen Beitrag dafür, dass sie sich ein größeres Stück vom Kuchen nehmen. Dieses Bild gefällt mir schon besser. Es wird dem gerecht, dass Besitz und Konsum mit Verantwortung einhergehen.

Auf den ersten Blick ändert dieser Perspektivenwechsel nicht viel. Es wird immer noch Geld, das sich gerne zu anderem gesellt, wieder an alle verteilt.  Es ändert aber unser Bewusstsein. Und das ist der erste Schritt, wenn wir neue Wege finden wollen, wie wir in einer Welt endlicher Ressourcen dauerhaft ein anständiges Leben miteinander führen können.

Kategorien
Allgemein

Lärmende Horden

Es gibt Menschen, die mögen es laut. Sie trinken Alkohol, nehmen Amphetamine (Ritalin für Erwachsene) und tanzen gerne zu lauter Musik – vorzugsweise Nachts, im Zentrum der Stadt und am Wochenende. Ihnen bereitet das Freude. Jene, die in Ruhe schlafen wollen, haben weniger Freude daran.

Darum gibt es eine großartige Erfindung: Man sperrt die tanzende Meute einfach in halbwegs schalldichte Bunker, wo sie ungestört und unstörend laut sein können. Alle sind glücklich: Die Tanzenden, die schlaffreudigen Anwohner und die Betreiber der sogenannten Clubs.

Jetzt hat das Regierungspräsidium Stuttgart beschlossen, dass die lärmende Horde dreier solcher Clubs im Bereich Eberhardstraße (DilaylaWhite Noise und Bar Romantica) mitten in der Nacht (5 Uhr) auf die Straße gescheucht werden sollen und erst um 6 Uhr morgens wieder in die schallgeschützten Räume zurückkehren dürfen.

Ich kann nicht nachvollziehen, warum man den Anwohnern jetzt zumuten möchte, dass durch diese sogenannte Sperrstunde die Clubgänger für eine Stunde mitten in der Nacht auf die Straße geschickt werden, wo sie andere um den Schlaf bringen.

Artikel in der Stuttgart Zeitung

(Foto: lärmende Menschen (Labor118) im White Noise, selbstgemacht. Und ja, ich lärme bisweilen auch.)